Die 12 größten Hörgeräte-Irrtümer, Teil 2

Weit verbreitete Vorurteile über Hörgeräte – und was tatsächlich stimmt

Mythen, Irrtümer und Vorurteile begleiten die Entwicklung der Gesellschaft seit Menschengedenken. Vorbehalte gegenüber medizinischen oder technischen Lösungen halten sich besonders hartnäckig. Leider betrifft es auch das Thema Hörgeräte und Hörsysteme. Höchste Zeit, mit den größten Irrtümern, Vorurteilen und modernen Märchen aufzuräumen.

Die nun folgende Auswahl orientiert sich an Erfahrungswerten und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Einordnung ins Ranking erfolgte aus subjektiver Sicht. Die 12 größten Hörgeräte-Irrtümer, Teil 2:

Platz 6 Hörgeräte & Effektivität

Behauptung: „Hörgeräte helfen sofort.“ Sobald man Hörgeräte aussetzen würde, könne man wieder so gut hören wie früher.

Tatsache ist: Wer über längere Zeit schlecht hört, verlernt das Hören. Das Gehirn, in dem die wahrgenommenen Schallimpulse übersetzt werden, wird entwöhnt und vergisst die fehlenden Frequenzen.

Genau deshalb ist es ja so wichtig, Hörprobleme frühzeitig zu erkennen. Je eher eine Hörminderung mit einem Hörgerät versorgt wird, desto geringer die Entwöhnung.

Tatsache ist aber auch, dass man um eine Eingewöhnungszeit nicht herumkommt. Wie lange diese Zeitspanne im Einzelfall dauert, ist abhängig vom Schweregrad des Hörverlusts und davon, wie lange die Hörentwöhnung schon andauert.

Platz 5 Hörgeräte & Anzahl

Behauptung: „Wer nur auf einem Ohr schlecht hört und auf dem anderen nicht, der braucht auch nur ein Hörgerät.“

Fakt ist: Der Mensch kommt in der Regel mit zwei gesunden Ohren zur Welt. Wir brauchen beide für das Richtungshören.

Nur wer mit beiden Ohren gleichgut hören kann, kann intuitiv und sicher die Richtung erkennen, aus der Geräusche kommen. Seien es Worte, Klingelgeräusche oder Alarmsignale. Deshalb werden in den meisten Fällen gleich beide Ohren mit Hörgeräten versorgt (die mit binauraler Technik digital miteinander in vernetzt sind).

Platz 4 Hörgeräte & Preise

Behauptung: „Hörgeräte sind teuer“ bzw. „kostspielig.“

Die gute Nachricht: Hörgeräte gibt es für gesetzlich Versicherte bereits zum Nulltarif, abgesehen von der obligatorischen Zuzahlung in Höhe von 10 EUR.

Diese Hörgeräte „zum Nulltarif“ verfügen über eine solide Grundausstattung für eine gute Hörversorgung.

Hörgeräte in den höheren Preis-/Leistungsklassen bieten zusätzliche Funktionen, um die Bedienung und Klangeigenschaften bis auf High-End-Niveau zu optimieren (zum Teil brillanter als die Realität). Und natürlich lassen sich die Hörgeräte-Hersteller diesen Mehrwert/Nutzen bezahlen, um die Entwicklungskosten wieder einzuspielen.

Platz 3 Hörgeräte & Aussehen

Behauptung: „Hörgeräte sehen hässlich aus.“ Oder auch: „Hörgeräte machen unattraktiv.“

Tatsache ist: Die heutzutage am Markt gehandelten Hörgeräte sind in der Mehrzahl so klein, dass sie kaum noch sichtbar sind.

Das gilt insbesondere für die Hörgeräteart Im-Ohr-Hörgerät, aber im Grunde auch für Hörgeräte, die hinter dem Ohr (HdO) getragen werden. Wie können Hörgeräte, die nahezu unsichtbar sind, hässlich aussehen – geschweige denn hässlich machen?

Das Gegenteil ist der Fall: Insbesondere HdO-Hörgeräte sind längst das Ergebnis ausgeklügelter Produkt- und Designstudien, und nicht selten begeistern diese Design-Perlen durch ihre optische Eleganz.

Platz 2 Hörgeräte & Größe

Behauptung: „Hörgeräte sind groß und klobig.“

Fakt ist: Die Dimensionen moderner Hörgeräte sind kleiner (IdO), ihre Formen schlanker (HdO) als je zuvor. So klein, dass sie insbesondere als Im-Ohr-Hörgerät kaum noch sichtbar sind. Lediglich unscheinbare, durchsichtige Antennen oder Schläuche sind aus unmittelbarer Nähe erkennbar.

Platz 1 Hörgeräte & Alter

Behauptung: „Hörgeräte sind nur was für alte Leute.“ Mit der fatalen Schlussfolgerung: „Hörgeräte machen alt.“

Richtig ist: Schwerhörigkeit hat mit dem Älterwerden zu tun, doch wie alt ist alt? Faktisch ist der natürliche Hörverlust eine Folge des biologischen Verschleiß- und Alterungsprozesses.

Ungefähr mit 30 Jahren beginnt dieser Prozess einzusetzen; die ersten Zellen unserer Hörsinne (Haarsinneszellen im Innenohr) sterben ab. Mit 40 ist das Hörvermögen in der Regel erkennbar schlechter und es wäre an der Zeit, etwas zu unternehmen. Hand aufs Herz: Ist man mit 40 Jahren alt?

Was das „alt machen“ betrifft: Gesprächspartnern zuzuhören ist für Schwerhörige anstrengend und ermüdend, während Hörgeräte das Zuhören erleichtern und in der Folge zu mehr Vitalität im Alltag führen. Es ist also eher anders herum: Hörgeräte machen jünger.

Wer ein gut eingestelltes Hörgerät trägt, der versteht klipp und klar jedes Wort. Und zwar ganz unabhängig vom Alter – Stichwort Kinderhörgeräte.

Fazit: Viele Vorurteile über Hörgeräte sind längst überholt

Die größten Irrtümer und Vorurteile über Hörgeräte halten sich seit vielen Jahrzehnten im kollektiven Gedächtnis, werden immer wieder vorgekramt und gern auch als Ausrede serviert. Indes entwickelt sich die Technik so rasant weiter, dass die Wahrheit über Hörgeräte – Stand heute – eigentlich nur in einem Hörgerätefachgeschäft zu finden sein kann. Dort, wo man die neuesten Modelle vor Ort hat und wo man auch am besten weiß, was Hörgeräte können und was nicht.

Ein Hinweis in eigener Sache

Vorurteile über Hörgeräte sind nicht unproblematisch, da sie den gesundheitlichen Wert und Nutzen einer individuellen Hörversorgung oft in Frage stellen. Es kann bereits für leicht Schwerhörige fatale Folgen haben, wenn sie aufgrund von Vorurteilen oder Klischees von einer Hörversorgung absehen.

Wie heißt es so schön auf einer Webseite des WDR: „Vorurteile, also vorschnelle Urteile über Dinge oder Menschen, die man eigentlich gar nicht richtig kennt, können zu einem echten Problem werden.“ Das gilt wohl insbesondere dann, wenn wir Dingen oder anderen Personen – aufgrund unserer Vorurteile – etwas nicht zutrauen oder gar Menschen daran hindern, das Notwendige zu tun.

In diesem Sinne wäre uns allen geholfen, auch Vorurteile über Hörgeräte kritisch zu hinterfragen und diese Vorurteile im Gespräch mit anderen, die von Hörproblemen betroffen sind, mindestens zu diskutieren, wenn nicht sogar mit Fakten zu revidieren.

Sicher werden wir Hörakustiker im Allgemeinen davon profitieren, wenn sich mehr Menschen intensiver mit dem Thema Hörgeräte beschäftigen. Vor allem aber werden jene davon profitieren, die aktuell von einer Hörminderung betroffen sind oder es eines Tages – altersbedingt – sein werden.

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