Der Empfang im Nawanyago Health Centre III war sehr herzlich, das Interesse der Patienten groß. In der verfügbaren Zeit von knapp zwei Wochen ist es uns gelungen, über 80 Hörgeräte anzupassen. Das ist deutlich mehr, als im vergangenen Jahr. Zum einen waren unsere vier Hörglücksbotschafter besser auf die lokalen Bedingungen eingestellt. Zum anderen kamen diesmal mehr Patienten, die einer beidseitigen Hörversorgung bedurften.
Viele hochgradig schwerhörige junge Patienten
Wir konnten fast durchweg neue Patienten zur Erstversorgung im Hospital begrüßen, aber auch einige vom letzten Jahr, die zur Kontrolluntersuchung angemeldet waren oder schlichtweg Schäden an ihren Hörgeräten zu beklagen hatten.
Besonders auffällig in diesem Jahr war die hohe Anzahl der sehr schwerhörigen Patienten. Dazu leider auch ertaubte Kinder und junge Erwachsene, wie der 21-jährige Student Abbey.
Drei beispielhafte Schicksale:
- Abbey ist einseitig ertaubt und hat für sein gesundes Ohr ein Hörgerät von uns bekommen. Er strahlte bis zu beiden Ohren und hat sich sehr über sein neues Hörvermögen gefreut, da er sich nun leichter verständigen und im Studium besser zuhören kann (siehe unser Post auf Instagram).
- Sehr emotionale Reaktionen zeigte die sonst schüchterne Gloria (28): Sie hüpfte vor Freude, als sie sich plötzlich hören konnte. Die Art und Weise, wie sie glücksselig strahlte und tanzte, erfüllte auch uns mit tiefer Freude und manche hatten Tränen in den Augen.
- Leider hatten wir auch sehr traurige Begegnungen in Nawanyago zu verkraften. Eines Tages bemerkten wir ein 11-jähriges Mädchen unter den Wartenden, sie hatte sich ohne Begleitung ins Camp „geschmuggelt“. Als sie an der Reihe war und wir ihr Hörvermögen messen wollten, hat sie nicht reagiert. Auf gar nichts. Die Kleine scheint auf beiden Ohren vollständig taub zu sein.
Andere Hörverluste als in Deutschland
Insgesamt unterscheidet sich das Krankheitsbild sehr stark von dem, was wir gewohnt sind. „Während wir bei den Hörtests in Deutschland überwiegend Hochton-Hörverluste feststellen, haben wir es in Uganda eher mit Tiefton- oder breitbandigen Hörminderungen zu tun, über alle Frequenzen hinweg. Das ist in Deutschland selten“, berichtet Luise Schulz.
Warum das so ist, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Vermutlich ist Malaria häufig die Ursache (Prophylaxe und Behandlung können aufs Gehör gehen). Auch manche vor Operationen verabreichte Narkosemittel können als Auslöser für hochgradige Hörverluste und Taubheit in Frage kommen, unabhängig vom Alter. Letztlich kann man nur spekulieren.
Hospitation und Hilfe zur Selbsthilfe
Dank der breitgestreuten Ankündigung konnten wir unser Charity-Projekt im Nawanyago Health Centre auch auf fachlicher Seite ausbauen, unter anderem durch Besuche von regionalen HNO-Ärzten wie Dr. Christine. Sie brachte einige Patienten zu uns und folgte prompt der Einladung, bei uns zu hospitieren. Neben der audio-technischen Hörmessung und dem Abnehmen der Ohrabdrucke stand besonders die Anfertigung von Otoplastiken im Mittelpunkt. Erfahrene Otoplastik-Spezialisten vor Ort zu haben, bot eine gute Gelegenheit, sich Expertenwissen anzueignen. Das sprach sich herum. Immer wieder schauten Ärzte und Helfer auf einen Blick herein und suchten den fachlichen Austausch, durchaus mit der Absicht, sich den einen oder anderen Kniff anzueignen.
Was die Otoplastiken betrifft: Normalerweise lassen HNO-Ärzte aus Uganda ihre Otoplastiken in Kenia fertigen, was mitunter lange Versandzeiten in Anspruch nimmt. Das ist womöglich bald Geschichte. Nicht nur Irene, eine junge Audiologin im Team von Dr. Christine, zeigte viel Talent beim Fräsen und Formen von Otoplastiken. Auch Hospital-Mitarbeiter Simon-Peter, der uns als Übersetzter und Assistent bei der Ohrenreinigung zur Seite stand, legte sehr viel Geschick an den Tag.
Fazit: „Es war schön, aber auch anstrengend“
Die körperlichen Belastungen sind nicht zu unterschätzen. Die Malaria-Prophylaxe, der lange Flug, das tropische Klima mit Tagestemperaturen von bis zu 36 Grad, und nicht zuletzt das intensive Arbeiten, teilweise von 9 bis 18:30 Uhr, manchmal ohne Pause, manchmal ohne Übersetzer, manchmal auch etwas chaotisch – das alles steckt man nicht so ohne Weiteres weg.
„Doch im Endeffekt lief alles etwas runder als zuvor, und schlussendlich haben wir viel erreicht“ – da sind sich alle einig.
- Wir konnten mehr Patienten mit Hörgeräten und einer individuellen Hörgeräteanpassung versorgen,
- mehr Resonanz in den Schulen und anderen Einrichtungen in der Umgebung erzielen
- und weitere Kontakte zur medizinischen Nachbarschaft und den HNO-Ärzten in der Umgebung aufbauen.
Am vorletzten Tag war sogar noch Zeit für einen afrikanischen Friseurbesuch und einen schönen Cocktail-Abend am Victoria See. „Auch das haben wir sehr genossen.“
Kleine Anekdote zum Schluss
In den zwei Wochen der Mission 2025 gab es eine Begebenheit, die den speziellen Esprit bei der Arbeit in einem fremden Kulturraum verdeutlicht. Instrumente und Chemikalien, die wir vor Ort deponiert hatten, waren noch komplett vorhanden. Leider mussten wir feststellen, dass unser Spezialwachs fehlte. Das war im ersten Moment ein Schock: kein Wachs – keine Ohrabdrücke – keine Otoplastiken! Doch Not macht erfinderisch. Es wurden kurzerhand die Kerzen aus der Hospitalkirche eingeschmolzen.
Hörversorgung in Uganda – ein Herzensprojekt von Rhein-Neckar-Akustik
Die Mission »Hörversorgung in Uganda« ist eine auf Nachhaltigkeit angelegte Charity-Initiative von Rhein-Neckar-Akustik und unseren Freunden des Tusiima Nawanyago e.V. in Gemmingen.